Unsere Volontärin Anja, eine erfahrene Grundschullehrerin in Hamburg, hat sich in ihrer Zeit vor Ort intensiv mit der Weiterentwicklung des Unterrichtes an der Engata Schule beschäftigt. Sie arbeitete sehr eng mit den LehrerInnen vor Ort zusammen, um gemeinsam neue Ansätze für eine kindgerechte und abwechslungsreiche Unterrichtsgestaltung zu entwickeln. Durch Spendengelder konnte sie zahlreiche Schulmaterialien z.B. für Experimente und Kinderbücher beschaffen. Auch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland bleibt sie im engen Austausch mit den LehrerInnen vor Ort und unterstützt sie bei Fragen und Themen rund um die Unterrichtsentwicklung. Sie hat einen Erfahrungsbericht über ihre Zeit und ihr Projekt geschrieben.
Projekte 2023/24 in Bezug auf die Unterrichtsentwicklung der Engata Pre- Primary School am Ruvu
Erfahrungsbericht verfasst von Anja Foellmer (Grund- und Mittelstufenlehrerin), Volontärin vom Okt.2023 –März 2024
Als ich im Oktober ´23 als Volontärin an die Engata Primary School in die Massaisteppe kam, habe ich mir zunächst viel Unterricht angesehen und bin mit den Lehrern und Lehrerinnen darüber ins Gespräch gekommen. Ich wollte einen Einblick erhalten, wie und was hier in Tansania unterrichtet wird und ein Gefühl dafür entwickeln, in welchen Bereichen Unterstützungsbedarf sein könnte. Dabei wurde deutlich, dass an der Schule so gut wie gar keine Materialien für Unterrichtsaktivitäten und Experimente zur Veranschaulichung des Unterrichts vorhanden waren. Die Lehrbücher Tansanias, an denen sich die Lehrpersonen sehr eng orientieren, sehen aber durchaus, gerade in den naturwissenschaftlichen Fächern, viele Unterrichtsaktivitäten und Versuche vor, die die LehrerInnen jedoch überwiegend nur theoretisch behandeln können. Das bedeutet zum Beispiel, dass sie das Thema Magnetismus unterrichten, ohne auch nur einen einzigen Magneten zum Experimentieren zu haben, oder dass sie das Thema Elektrizität, in einer Schule, in der es zu diesem Zeitpunkt noch keinen Strom gab, unterrichten ohne mit einem Kabel, einer Batterie und einer Glühbirne einen einfachen Stromkreis bauen zu können, wie es beispielsweise in unseren Grundschulen üblich ist.
Davon leitete sich eines meiner Projekte ab:
- Anschaffung und Erprobung von Unterrichtsmaterialien für Experimente und Unterrichtsaktivitäten
An den Lernplänen und Unterrichtsbüchern Tansanias orientiert, konnten wir aus Spendengeldern viele der nötigen Materialien in einem Lehrmittelladen innerhalb Tansanias in der Stadt Arusha finden und bestellen. Inzwischen haben die Lehrer und Lehrerinnen viele der Materialien im Unterricht mit ihren Schülern erprobt und freuen sich über einen vielfältigeren, praxisorientierten Unterricht.
Diese Sammlung an Lehrmitteln ist weiter ausbaufähig und wir freuen uns über finanzielle Unterstützung, denn es ermöglicht vielfältige und nachhaltige Bildungsangebote.
Grundsätzliche Gebrauchsmaterialien wie Scheren, Lineale, Klebe, Papier, Blei- und Buntstifte sowie Tuschfarben waren im geringen Maß vorhanden. Im Wesentlichen handelte es sich um vorausgegangene Spenden, die sehr gehütet und bewusst eingesetzt wurden, aber sie verbrauchen sich natürlich auch. Das Papier wurde überwiegend zum Ausdrucken der Examen über den Schuldrucker verwendet. Dieser stand beim Buchhalter der Schule im Nachbardorf, in dem es Elektrizität gibt. Für den alltäglichen Unterricht wurde Papier kaum eingesetzt, dafür war es zu kostbar. Im Unterricht sind die wesentlichen Elemente, dass die Schüler und Schülerinnen von der Tafel die Inhalte in ihre Hefte übertragen und diese mündlich, einzeln oder auch oft gemeinsam im Chor wiederholen.
Aus meinen Beobachtungen entstand folgendes Projekt:
- Unterstützung der Lehrer und Lehrerinnen beim Einsatz anderer Unterrichtsmethoden, so dass die Schüler und Schülerinnen aktiver und mit mehr Selbstständigkeit am Unterricht teilnehmen können.
Auf diese Weise werden sie in mehr Denkprozesse eingebunden, was letztendlich in der Regel zu einem tiefergehenden Verstehen und Lernen führt. Zum einen habe ich mit den LehrerInnen konkret für ihren Unterricht in den unterschiedlichsten Fächern und Klassenstufen Lernspiele entwickelt, aus bunten Papier hergestellt, eingesetzt und diskutiert. Zum anderen haben wir Experimente und Unterrichtsaktivitäten im Vorfeld erprobt, Unterricht entwickelt und durchgeführt, immer mit dem Ziel, die SchülerInnen stärker in Unterricht und Lernprozessen einzubinden. Hier spreche ich zum Beispiel von Versuchen zu den Sinnen (Klasse 3) oder Experimenten, zur Expansion von Gasen oder zur Weiterleitung von Hitze durch Metalle (Klasse 5). Zu diesen Experimenten haben wir im Schulumfeld nur unter großem Aufwand und Mühe alle nötigen Materialien finden und ausprobieren können.
Eine finanzielle Unterstützung, um grundsätzliche Verbrauchsmaterialien regelmäßig anzuschaffen, wäre sinnvoll.
Ein drittes Projekt beinhaltete:
- Die Anschaffung von Story- und Bilderbüchern, um die Sprachkenntnisse zu erweitern
- Anschaffung von Lernplakaten (Wort-Bild-Darstellungen)
- Die Etablierung einer festen Büchereistunde an der Schule für alle Klassen
Das Sprachenlernen stellt eine besondere Herausforderung dar, denn die Kinder kommen an die Schule mit ihrer Muttersprache, die überwiegend das Massai ist. Unterschiedlich stark können sie die ostafrikanische Sprache Swahili sprechen, die auch die erste amtliche Landessprache ist. Unterrichtssprache von Beginn an ist Englisch, was bedeutet, dass erstmal jeglicher Unterricht auch ein Fremdsprachenunterricht ist. English und Swahili sind außerdem separate Unterrichtsfächer.
Bei Hospitationen im Unterricht der höheren Klassen wurde deutlich, dass es vielen Schülern und Schülerinnen Probleme bereitet, sich in englischer Sprache auszudrücken, Antworten im vollständigen Satz zu geben und nicht nur mit ein oder zwei Wörtern zu reagieren. Bei den jüngeren Klassen wäre beim Erlernen einer neuen Sprache mehr Anschauungsmaterial zum Beispiel in Form von Bildern eine hilfreiche Ergänzung.
Außerdem wurden im Unterricht Probleme beim Leseverstehen offensichtlich, zum Beispiel beim Lösen von Aufgaben im Buch, bei Tests und den Examensarbeiten.
Mit einem Lehrer zusammen haben wir erarbeitet, an welchen verschiedenen Stellschrauben man drehen kann, um die Englischkenntnisse der Kinder zu verbessern. Eine Stellschraube ist es, ein Angebot an Story- und Bilderbücher zu schaffen, die das Interesse der SchülerInnen wecken und vielfältig im Unterricht, aber auch in Pausenzeiten oder am Nachmittag und Wochenende zum Lesen, Vorlesen und auch sinnentnehmenden Lesen eingesetzt werden können. Bücher zusätzlich zu den Unterrichtsbüchern waren bisher so gut wie gar nicht vorhanden.
So habe ich einen Schub an Büchern (um die 90 Exemplare) und Lernplakate für jegliche Unterrichtsfächer angeschafft. Die Story- und Bilderbüchern und Lernplakate sind überwiegend auf Englisch, aber ein Teil davon auf Swahili, da es ebenfalls sinnvoll erscheint, die Sprachkenntnisse der ersten Landessprache, eine weitere Sprache von Schulbeginn an, zu vertiefen.
Die Kinder haben dieses neue Angebot mit Freude, Neugier und Interesse angenommen, eine Büchereistunde wurde fest im Stundenplan am Nachmittag verankert, in der in allen Klassen (außer den Vorschulklassen, denn die hatten schon Schulschluss) gelesen, vorgelesen, in Büchern gestöbert und Inhalte besprochen wurden. In Unterrichtsstunden, zum Beispiel in den naturwissenschaftlichen Fächern wurden passende Themenbücher eingesetzt. Am Nachmittag oder gegen Abend bot ich öfter eine Lesezeit für die Internatskinder am weißen Turm an, die sie mit Freude annahmen. Dabei war es schön anzuschauen, wie die älteren den jüngeren Kindern vorlasen oder ihnen etwas erklärten.
Es ist sehr wünschenswert, das Repertoire der Bücher in Zukunft zu erweitern und es wäre großartig, wenn Sie dieses Projekt weiter finanziell unterstützen. Aber auch Bücherspenden aus Deutschland in englischer Sprache wären denkbar und willkommen.
Da in naher Zukunft ein Kindergarten an der Engata School eingerichtet werden soll, wäre es sinnvoll, besonders Bücher auch für diese Altersklasse und für die Vorschulkinder und Erstklässler anzuschaffen, um die Lernausgangslage der Kinder beim (Sprachen-)lernen zu verbessern.